Videobeweis auch in der Sportakrobatik möglich…?
Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran. Was in der Sportakrobatik ein Novum wäre, gehört in anderen Sportarten längst zur Selbstverständlichkeit.

Umfrage bei der Einführung des Video- beweises in der Fussball-Bundesliga
Die erste Hälfte der Wettkampfsaison mit u.a. den Deutschen Meisterschaften in Hoyerswerda, Wilhelmshaven & Aachen sind Geschichte. Die Würfel für die EM-Nominierung sind gefallen. Viele Sportler, Trainer & Verantwortliche befinden sich mittlerweile in den Sommerferien. Einige wenige, zumeist die Trainer, nutzen jedoch diese freie Zeit, um die letzten Monate Revue passieren zu lassen. Es werden zurückliegende Wettkampfübungen analysiert und mögliche Optimierungen für die zweite Jahreshälfte sowie die Deutschen Meisterschaften 2020 bereits geplant und vorgenommen. Es werden Übungen mehrfach angeschaut, mit potentiellen Gegnern verglichen und Siegerlisten gewälzt. Häufig tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder offene Fragen u.a. bei den Trainern auf, die bereits bei den Wettkämpfen zu intensiven Diskussionen führten. Nicht selten werden Sportler/Formationen im Rahmen der Bewertung durch die verantwortlichen DJs/CJPs mit Zeitfehlern und/oder Strafen „bedacht“. Häufig sind diese Strafen gerechtfertigt und bedürfen keinerlei weiteren Diskussionen. Aber was ist, wenn z.B. Zeitfehler ungerechtfertigt auf der Anzeigetafel erscheinen und die betreffende Formation dadurch Plätze, eine Medaille oder gar einen Deutschen Meistertitel einbüßt ?
Ein Szenario, welches bei der Leichtathletik-WM in Moskau genauso geschehen ist. Nur ein Fotobeweis sicherte dem Deutschen David Storl damals die Goldmedaille im Kugelstoßen. Was war geschehen? Laut der eingesetzten Kampfrichter sollte der deutsche Ausnahmeathlet übergetreten sein. Der Versuch wurde als ungültig eingestuft bzw. bewertet. Falsch, wie sich wenig später herausstellen sollte. Ein Foto vom Agenturfotografen Kai Pfaffenbach enttarnte die Fehlentscheidung und David Storl gewann Gold.
Seit dem sind bewegte Bilder bei Protesten als Beweismittel zugelassen – allerdings normalerweise erst nach den Wettkämpfen. Dann berät eine Jury im sogenannten Technischen Informations-zentrum des Stadions oder der Halle über den Protest. Neben Videos sind auch andere Beweismittel zugelassen.
So funktioniert der Videobeweis bereits in anderen Sportarten:
Tennis: Das „Hawkeye“ ist ein computergesteuertes System zur Ballverfolgung im Spiel. Im Tennis kann damit verifiziert werden, ob ein Ball im Aus oder im Feld war. Pro Satz hat ein Spieler dreimal die Möglichkeit zu einer „challenge“, bleibt er im Recht, wird ihm keine „challenge“ abgezogen.
Ski alpin: Der Videobeweis wird zur Klärung eingesetzt, ob ein Rennläufer ein Tor korrekt passiert hat.
Hockey: Der Videobeweis kommt hier in entscheidenden Szenen zum Einsatz: Tor, Strafecke, Siebenmeter. Jede Mannschaft hat pro Halbzeit eine „challenge“.
Football: In der National Football League (NFL) darf jeder Coach zweimal pro Spiel bei bestimmten Spielsituation (z.B. Pass, Touchdown) die Entscheidung der Schiedsrichter anfechten. Hat er beide Male Recht, bekommt er zusätzlich eine dritte „challenge“. Der Oberschiedsrichter auf dem Feld hat 60 Sekunden Zeit, um die Szene auf einem am Spielfeldrand abgestellten Monitor anzusehen.
Fechten: Jeder Athlet darf während des Gefechts den Obmann zweimal um Ansicht der Videoaufnahmen umstrittener Szenen bitten. Bekommt der Athlet Recht, wird kein „Beweis“
abgezogen, bleibt die Entscheidung des Obmanns bestehen, wird ein „Beweis“ gestrichen.
Eishockey: Der oder die Hauptschiedsrichter kann/können anhand von Videoaufzeichnungen einer Über-Tor-Kamera kontrollieren, ob ein Treffer korrekt erzielt wurde.
Cricket: Pro Spielabschnitt (inning) darf jede der beiden Mannschaft dreimal einen Videobeweis für strittige Szenen anfordern (die „Anforderung“ wird nicht gestrichen, wenn der Spieler danach Recht bekommt). Der Schiedsrichter auf dem Feld muss sich dem faktengestützten Urteil des Videoschiedsrichters nicht unterwerfen.
Baseball: Der Videobeweis (instant replay) wird angewendet, um zu entscheiden, ob ein Ball innerhalb (fair) oder außerhalb (foul) der vorgeschriebenen Markierungen das Spielfeld verlassen hat, ob er es überhaupt verlassen hat oder ob ein Zuschauer eingegriffen hat (eine entsprechende Spielsituation entsteht meist beim Homerun).
Volleyball: Ein Videobeweis wird eingesetzt, um u.a. zu entscheiden, ob ein Ball im Feld war oder nicht, ob es eine Block- oder Netzberührung gab. Die Mannschaften haben pro Satz so oft die Möglichkeit, einen Videobeweis anzufordern, bis er zweimal erfolglos bleibt.
Fussball: Der Videobeweis dient der Vermeidung von Fehlentscheidungen während eines Fußballspiels. Der dazu eingesetzte Video-Assistant-Referee (VAR), im deutschen Sprachraum als Videoassistent bezeichnet, überprüft dabei strittige Entscheidungen des leitenden Schiedsrichters mit dem Nutzen der sofortigen Wiederholung von Zeitlupen und einem Headset für Konversationen.
Handball: Schiedsrichter nutzen das technische Hilfsmittel um zu überprüfen, ob ein Ball hinter der Torlinie war, die Spielzeit bereits vor einem Torwurf abgelaufen war oder um nachträglich grobe Fouls zu ahnden.
Wie könnte dieser Videobeweis nun in der Sportakrobatik aussehen ?
Pro Wettkampf könnte jedem Verein (Trainer/Verantwortlicher) die Möglichkeit eingeräumt werden, bei strittigen Szenen seiner Formation/seines Vereins bei der Jury einen Videobeweis durch das Vorlegen einer sogenannten „Greencard“ anzufordern. Strittige Szenen könnten hierbei sein:
- Zeitfehler
- Stürze
- Ausführungen von Elementen
- usw…
Die Jury würde anhand der vorliegenden Videaufzeichnungen die strittigen Szenen/Entscheidungen überprüfen und könnte bei einer vorliegenden Fehlentscheidung eigenhändig bzw. -ständig die bestehende Wertung/Strafe ändern oder könnte das betreffende Kampfgericht über das Auswertesystem AcroScore auffordern, dessen Wertung anzupassen. Innerhalb der Jury würde vor Wettkampfbeginn ein Video-Judge (VJ), ggf. Vorsitzender der SJ, bestimmt bzw. festgelegt werden. Die Einforderung des Videobeweises könnte innerhalb des aktuellen Startblockes erfolgen und bedürfte einer Hinterlegung einer festgelegten Gebühr beim zuständigen Wettkampfbüro. Würde der Videobeweis zu Recht eingefordert worden sein, könnte der vorgenannte Betrag im Anschluss an den Wettkampft wieder ausgezahlt werden.
Wie eingangs erwähnt, schreitet die Digitalisierung in der Sportakrobatik immer weiter voran. AcroScore und AcroManager sind nur zwei Beispiele dafür, dass die Sportakrobatik auf dem richtigen Weg ist. Trotzdem müssen die Verantwortlichen in Zukunft noch an einigen Stellschrauben drehen, damit die Sportakrobatik aus ihrem Dornröschenschlaf wach geküsst wird. Letztendlich wird wichtig sein, dass am Ende die Sportakrobatik auf der Liste des IOC als olympische Sportart stehen wird (siehe hierzu ein interssantes Interview von akrobastisch.de mit Rosy Taeymans (BEL), President of the FIG Acrobatic Gymnastics Technical Committee).
Vielleicht könnte die Einführung eines Videobeweises ein weiterer ‚kleiner‘ Impuls in die richtige Richtung sein…..
Zur Umfrage „Videobeweis in Der Sportakrobatik: JA oder Nein?“