Lange musste die Sportakrobatikwelt auf diesen Wettkampf warten. Während es in vielen anderen Sportarten schon längst Weltmeisterschaften für Juniorinnen und Junioren gibt, wird Guimarães eine Premierenveranstaltung.
Dass die Juniorenjahrgänge der Sportakrobaten der Zukunft sind, ist nun keineswegs neu, die Junioren-Weltmeisterschaft hingegen schon. Abgesehen von anderen Aspekten bleibt angesichts der zum Teil fast leeren Ränge während der Qualifikation und der mehr als dürftigen Medienpräsenz die Frage nach der Finanzierung einer solchen Großveranstaltung. Auf die Frage, ob die FIG die portugiesischen Organisatoren oder auch teilnehmenden Nationen finanziell unterstützt habe, bleibt Rosy Taeymans, FIG Acrobatic Technical Committee President, sehr allgemein. „Wir müssen in die Zukunft unseres Sports investieren. Wir werden also zwangsläufig über die nächste Junioren-WM nachdenken. Im Bereich der Senioren gibt es mehr Sponsoren und mehr Werbung. Ein Teil des sich daraus resultierenden Profits sollte zukunftsorientiert in die Entwicklung der Sportakrobatik und damit in die Junioren gesteckt werden. Mit Blick jedoch auf die eingeschränkten aktuellen finanziellen Mittel vieler Verbände, muss die FIG womöglich zeitnah ihre Struktur überarbeiten und sich eine neue Strategie überlegen. Wie beides jedoch aussehen könnte, bleibt immer noch unklar.“
Der Übergang zu den Senioren ist oft eine große Herausforderung. Das bislang gesehene Niveau ist jedenfalls in Guimarães beachtenswert. Diese erste Junioren-WM sollte ein Testlauf sein – doch die bereits durchgesickerten Rückmeldungen lassen wohl auf eine Fortsetzung schließen.
Nachgefragt bei Kampfrichter und Sportdirektor Hannes Schenk in Guimarães
Was halten Sie von den zum ersten Mal ausgetragenen Junioren-Weltmeisterschaften ?
Die Einführung der Junioren-Weltmeisterschaften ist ein wichtiger Schritt für die Sportakrobatik. Dieses neue Wettkampfformat gibt es bereits in vielen anderen Sportarten und hat einen höheren Stellenwert als die Age Group Competitions. Die Junioren-Weltmeisterschaft wird die Sichtbarkeit der Sportart erhöhen und vielen Nationen die Möglichkeit eröffnen, neue Fördermöglichkeiten auszuschöpfen, was der langfristigen Weiterentwicklung und Professionalisierung des Sports dienen kann.
Welche Länder fallen Ihnen hier in Guimarães besonders ins Auge ?
Es gibt einige Länder, die hier in Guimarães besonders stark auftreten. Traditionell starke Nationen wie Israel, Belgien und Portugal zeigen erneut herausragende Leistungen, aber auch kleinere Nationen wie Estland überraschen mit technisch anspruchsvollen Übungen. Deutschland selbst präsentiert sich ebenfalls stark, was uns sehr stolz macht. Besonders freut mich zu sehen, dass neue Nationen den Weg zu World Age Group Competitions gefunden haben. Insbesondere Indien, Brasilien und Südafrika machen Spaß zuzusehen. Diese Breite an starken Nationen zeigt, wie global und kompetitiv unser Sport inzwischen ist.
Es gibt mittlerweile zahlreiche internationale Wettkämpfe – wird es irgendwann nicht zu viel ?
Ich sehe die wachsende Zahl internationaler Wettkämpfe eher als ein sehr positives Signal für unseren Sport. Es zeigt das Selbstbewusstsein vieler Verbände, solche Veranstaltungen auf internationaler Ebene auszurichten. Diese Entwicklung trägt zur weiteren Professionalisierung der Sportakrobatik bei und bietet den Athleten mehr Möglichkeiten, sich auf höchstem Niveau zu messen. Zudem fördert es den kulturellen Austausch und stärkt die Gemeinschaft innerhalb der Sportakrobatik-Welt. Natürlich erfordert es eine sorgfältige Planung, um Überlastungen zu vermeiden, aber insgesamt überwiegen die Vorteile. Die Vielfalt an Wettkämpfen gibt uns auch die Möglichkeit, neue Standards zu setzen und die Entwicklung des Sports in unterschiedliche Richtungen zu lenken.
Es fehlt, wie so häufig, am Zuschauer- und medialen Interesse – wie sind solche Veranstaltungen finanzierbar ?
Die Finanzierung solcher Veranstaltungen ist zweifellos eine große Herausforderung, besonders wenn das Zuschauer- und mediale Interesse nicht den Erwartungen entspricht. Wir müssen uns jedoch neuen, innovativen Ansätzen öffnen. Dazu gehört, verstärkt auf digitale Plattformen und Social Media zu setzen, um die Sportakrobatik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und ein stärkeres Bewusstsein zu schaffen. Es geht darum, die Sportakrobatik als faszinierenden und dynamischen Sport zu positionieren, der Zuschauer anzieht und Emotionen weckt. Gleichzeitig ist es wichtig, strategische Partnerschaften mit Sponsoren zu entwickeln, die den Wert dieser Veranstaltungen erkennen und unterstützen. Kurzfristig können kreative Finanzierungsmodelle, wie zum Beispiel Crowdfunding oder spezielle Förderprogramme, eine wichtige Rolle spielen. Langfristig müssen wir jedoch daran arbeiten, die Attraktivität und Sichtbarkeit der Sportakrobatik zu steigern, um so auch das finanzielle Fundament zu sichern und auszubauen.
Glauben Sie, so eine WM wird langfristig Auswirkungen auf die einzelnen Strukturen in den Verbänden haben ? Zum Beispiel bei der Trainingsgestaltung – bzw. steuerung ?
Definitiv. Solche Meisterschaften bieten für das Trainerteam immer eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich mit anderen Experten auszutauschen, neue Ideen zu sammeln und bewährte Praktiken zu teilen. Der direkte Austausch mit internationalen Kollegen und das Beobachten von Trends und Innovationen auf höchstem Niveau sind unbezahlbar. Diese Impulse tragen dazu bei, dass die Verbände ihre Strukturen kontinuierlich verbessern und an die neuesten Entwicklungen anpassen können. Letztlich stärkt dies die gesamte Sportakrobatik-Community und trägt zur nachhaltigen Entwicklung unseres Sports bei.
Für die Kampfrichter ist eine solche Veranstaltung ebenfalls eine Form der persönlichen Weiterentwicklung. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können national weitergegeben werden, was zu einer einheitlicheren und fundierteren Bewertungspraxis beiträgt und die Qualität der nationalen Wettkämpfe erhöht.